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Koalitionsvertrag – Ausblick für die Energiewirtschaft


15.04.2025 | Thomas Gruschka 

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 10.04.2025 haben CDU, CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Darin enthalten sind ehrgeizige Pläne, um Deutschland auf den Weg zur Klimaneutralität bis 2045 zu bringen. Die Energiewende soll dabei „transparent, planbar und pragmatisch“ erfolgen. Darüber hinaus sollen Unternehmen und Verbraucher entlastet werden.

Hier sind die wichtigsten Punkte im Überblick:

Ausbau der erneuerbaren Energien

Die Koalitionspartner wollen sich verpflichten, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Dies umfasst die verstärkte Nutzung von Sonnen- und Windenergie, Bioenergie, Geothermie und Wasserkraft sowie aus diesen hergestellte Moleküle. Insbesondere soll dies durch schnellere und bessere Planungs- und Genehmigungsverfahren gelingen. Dabei sollen unter dem Stichwort der „Technologieoffenheit“ auch innovative Technologien, wie Abwasserwärme, Wärmerückgewinnung und Flugwindkraft/Höhenwindenergie gestärkt werden. Der Ausbau soll jedoch netz- und systemdienlicher erfolgen. So ist bereits das sog. „Solarspitzengesetz“ noch unter alter Ampel-Regierung zusammen mit der Unionsfraktion beschlossen worden und im Februar in Kraft getreten, um die EEG-Vergütung in Zeiten negativer Preise bzw. temporärer Erzeugungsüberschüsse abzuschaffen.

Kraftwerksstrategie

Geplant ist, bis 2030 bis zu 20 GW Gaskraftwerksleistung zu errichten. Neue Gaskraftwerke sollen vor allem an bestehenden Kraftwerksstandorten entstehen, um die Infrastruktur optimal zu nutzen. Durch technologieoffene Ausschreibungen sollen verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen in gesicherte Leistung und Versorgungssicherheit geschaffen werden. Ein technologieoffener und marktwirtschaftlicher Kapazitätsmechanismus soll einen systemdienlichen Technologiemix aus Kraftwerken, Erzeugungsanlagen (wie Bioenergie und Kraft-Wärme-Kopplung), Speichern und Flexibilitäten ermöglichen. Zudem sollen freie Kapazitäten industriell genutzter KWK-Anlagen stärker genutzt werden, um einerseits Versorgungsengpässe zu vermeiden und andererseits zu stabilen Strompreisen beizutragen.

CO2-Emissionshandel

Die Koalitionspartner halten am Emissionshandel fest. So sollen der European Green Deal und der Clean Industrial Deal weiterentwickelt werden, um Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz zu vereinen. Dabei unterstützen die Koalitionspartner die Überführung des nationalen Brennstoffemissionshandels nach dem BEHG in das europäische Emissionshandelssystem ab 2027 (EU-ETS2). Die nationale Umsetzung der EU-ETS2-Richtlinie durch eine TEHG-Novelle wurde ebenfalls noch Ende Januar mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, Grünen und der Union beschlossen. Eine von den Verbänden geforderte Verlängerung der Festpreisphase im BEHG für das Jahr 2026 zur Vereinfachung des Übergangs in den europäischen Emissionshandels wurde jedoch nicht berücksichtigt. Spätestens im 2. Halbjahr sollten insbesondere Gasversoger die Umstellung auf die nationale Versteigerungsphase und die Überführung in den Europäischen Emissionshandel sowohl im Vertrieb als auch in der Beschaffung vorbereiten.

Zur Kompensation sind Maßnahmen zur Vermeidung von CO2-Preissprüngen und zur Unterstützung belasteter Haushalte geplant. So sollen CO2-Einnahmen an Bürger und Unternehmen zurückgegeben und sozial gestaffelte Entlastungen und Förderungen im Bereich Wohnen und Mobilität eingeführt werden.

Senkung der Energiepreise

Die Koalition plant Unternehmen und Verbraucher um mindestens 5 ct/kWh zu entlasten. Dazu sollen die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß von 0,1 ct/kWh gesenkt, Netzentgelte reduziert sowie die Gasspeicherumlage abgeschafft werden. Die Strompreiskompensation wird verlängert und auf weitere Branchen ausgeweitet. Für energieintensive Unternehmen wird eine besondere Entlastung eingeführt. Langfristige, günstige Gaslieferverträge sollen ermöglicht werden, ohne die Klimaziele zu gefährden.

Nach jetziger Rechtslage dürfte die Absenkung der Stromsteuer, die vorzeitige Abschaffung der Gasspeicherumlage sowie eine Senkung der Übertragungsnetzentgelte – soweit diese auch auf die Entgelte der Verteilnetzbetreiber (VNB) durchschlägt – in bestehenden Lieferverträgen mit einem vollintegrierten Preissystem sowie in der Grundversorgung eine Preisanpassung samt Vorankündigung nach sich ziehen. Ob und inwieweit eine gesetzliche Erleichterung bei den Vorgaben für die Weitergabe dieser Senkungen geschaffen wird, bleibt abzuwarten. Diese könnte analog zur damaligen Senkung und Abschaffung der EEG-Umlage erfolgen. Im Sinne der Versorger wäre jedenfalls ein durchdachtes Timing für die Geltung dieser Entlastungen wünschenswert, etwa zum Jahresende bzw. zum Ende des Gaswirtschaftsjahres, um ohnehin erwartete Preisanpassungen mit der Weitergabe kombinieren zu können.

Bereits die Ampelregierung hatte für das Jahr 2025 einen Zuschuss für die Übertragungsnetzentgelte zugesagt, welcher jedoch nach dem Bundesverfassungsurteil vom 15. November 2023 zur Unzulässigkeit der Schuldenverschiebung kurzfristig zurückgenommen werden musste. Mit der noch vor Beginn der Koalitionsverhandlungen beschlossenen Reform der Schuldenbremse im Grundgesetz wurde eine Ermächtigungsgrundlage zur Einrichtung eines Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur geschaffen, wobei 100 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds zugeführt werden sollen. Eine Finanzierung der geplanten Entlastungen durch ein solches Sondervermögen dürfte jedoch rechtlich zweifelhaft sein, da dieses zusätzlichen Investitionen gewidmet werden muss. Daher ist vorrangig eine Finanzierung über die Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel geplant (siehe Absatz zuvor).

Industriestrompreis

Besonders skeptisch dürfte die Energiewirtschaft auf den geplanten Industriestrompreis blicken, insbesondere was dessen Ausgestaltung betrifft. Die Umsetzung der Preisbremsen, die 2023 grundsätzlich für sämtliche netzgebundenen Lieferungen von Energie und Wärme galten, hat für einen erheblichen Aufwand für die Energiewirtschaft gesorgt, der bis heute anhält. Insbesondere die vielen Unklarheiten und Inkongruenzen in den Gesetzen führten bei Versorgern zu rechtlichen Unsicherheiten, die auch nicht durch die mittlerweile 13. Version der FAQ des BMWK vollständig ausgeräumt werden konnten. Es bleibt zu hoffen, dass die Koalitionspartner aus diesen Erfahrungen lernen und den Industriestrompreis pragmatischer, rechtssicherer und somit letztlich auch wirtschaftlicher gestalten.

Netze

Nach dem Koalitionsvertrag sollen der Ausbau und die Modernisierung der Netze möglichst kosteneffizient und synchron zum Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgen. Ein regelmäßiges Monitoring soll die Entwicklung überwachen. Die Übertragungs- und Verteilnetze werden gestärkt und die kritische Energieinfrastruktur geschützt. Effizienzpotenziale sollen durch freiere Gestaltung und Überbauung am Netzverknüpfungspunkt gehoben werden. Diese Maßnahmen werden durch die Digitalisierung der Netze flankiert, etwa durch die Beschleunigung des Smart-Meter-Rollouts und die Stärkung dynamischer Stromtarife. Neue Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetze (HGÜ) sollen als Freileitungen umgesetzt werden, wobei belastete Regionen berücksichtigt werden. Die Kosten für Netzanschlüsse sollen gesenkt und Genehmigungsverfahren vereinheitlicht werden. Zudem soll die physikalische Direktversorgung der Industrie räumlich ausgeweitet werden.

Fazit - Was bedeutet das für Sie?

Insgesamt stellt der Koalitionsvertrag einen wichtigen Schritt in Richtung einer nachhaltigen und klimafreundlichen Energiewirtschaft dar. Die Umsetzung der Maßnahmen erfordert jedoch eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, um die gesteckten Ziele zu erreichen und die Energiewende erfolgreich zu gestalten.

Ein zentraler Aspekt wird die Finanzierung der geplanten Maßnahmen sein. Die Koalitionspartner haben bereits die Einrichtung eines Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur beschlossen. Welche Maßnahmen damit finanziert werden können und welche durch den regulären Haushalt gedeckt werden müssen, bleibt noch ungewiss.

Darüber hinaus bleibt abzuwarten, wie die konkreten Gesetze zur Umsetzung der Maßnahmen ausgestaltet werden. Besonders die Einführung des Industriestrompreises und die Senkung der Energiepreise müssen sorgfältig geplant und rechtlich abgesichert werden, um rechtliche Unsicherheiten und wirtschaftliche Belastungen für die Energiewirtschaft zu vermeiden.

Gerne stehen wir Ihnen als rhenag legal zur Unterstützung bei der Einordnung und Umsetzung der zukünftigen konkreten Gesetzesvorhaben zur Seite.

Bei Fragen können Sie sich jederzeit bei der rhenag legal melden.

 

i.A. Thomas Gruschka

Thomas Gruschka

Rechtsanwalt

thomas.gruschka@rhenag-legal.de