03.07.2025 | Dr. Marion Große-Drieling, Nicole Hoffmann, LL.M.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Industrie in Deutschland befindet sich inmitten eines tiefgreifenden Wandels hin zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaneutralität. Vor diesem Hintergrund gewinnen die im Februar 2025 von der Europäischen Kommission vorgestellten Details des „Clean Industrial Deal“ zunehmend an Bedeutung.
Der Clean Industrial Deal ist ein strategisches Konzept, das den Übergang zu einer klimafreundlicheren Industrie fördern und die Dekarbonisierung des Sektors vorantreiben soll. Doch welche konkreten Auswirkungen hat der Clean Industrial Deal auf Ihre Geschäftsstrategie und welche Potenziale lassen sich aus diesem bereits jetzt erschließen?
In der Einleitung des Clean Industrial Deal heißt es: „The Clean Industrial Deal brings together climate action and competitiveness under one overarching growth strategy“.
Damit verfolgt der Clean Industrial Deal das Ziel, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit miteinander zu verbinden, indem er die Industrie in Europa und Deutschland nachhaltiger gestaltet und den CO₂-Ausstoß signifikant reduziert.
Hierbei setzt er auf Investitionen in grüne Technologien, die Förderung energieeffizienter Produktionsprozesse und den Ausbau der Kreislaufwirtschaft. Besonders energieintensive Industrien und die Einführung sauberer Technologien stehen dabei im Mittelpunkt.
Für Energieversorger bedeutet dies, dass sie eine Schlüsselrolle im Rahmen dieser grünen Transformation einnehmen. Der Clean Industrial Deal sowie dessen Umsetzung in gesetzliche Vorgaben innerhalb der EU und deren Mitgliedsstaaten werden die Nachfrage nach erneuerbaren Energien, Speichertechnologien und innovativen Energiekonzepten erheblich steigern.
Energieversorgungsunternehmen von Bedeutung? -
Ein kurzer Überblick
Einer der sechs Eckpfeiler des Clean Industrial Deals ist der „Zugang zu bezahlbarer Energie“ (Ziffer 2 des Clean Industrial Deals).
Neben diesem Punkt führt er folgende weitere Eckpfeiler auf:
- Leitmärkte: Förderung von Angebot und Nachfrage von sauberer Energie
- Finanzierung der Energiewende
- Kreislaufwirtschaft und Zugang zu Materialien
- Globale Märkte und internationale Partnerschaften fördern
- Kompetenz und Know-how (Arbeitsmarkt)
Bereits der Eckpfeiler „Zugang zu bezahlbarer Energie“ ist ein wichtiger Grund für Energieversorger, sich intensiver mit dem Clean Industrial Deal auseinanderzusetzen.
Der Clean Industrial Deal nennt mehrere Ursachen für hohe Energiekosten in Europa, darunter die Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen, geopolitische Spannungen und strukturelle Ineffizienzen im Stromnetz. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, werden drei zentrale Initiativen für die Industrie im Hinblick auf den Zugang zu bezahlbarer Energie genannt:
- die Senkung der Energiekosten (hierzu unter 1.)
- die Beschleunigung der Einführung sauberer Energie und der Elektrifizierung mit vollständigen Verbindungsleitungen und effizienten Netzen (hierzu unter 2.)
- und die Gewährleistung eines funktionierenden Gasmarktes (hierzu unter 3.).
Um kurzfristige Entlastungen der europäischen Verbraucher und Unternehmer bei den Energiepreisen zu schaffen, hat die Europäische Kommission am 26. Februar 2025 zusätzlich einen sogenannten „Action Plan for Affordable Energie“ mitveröffentlicht (COM (2025) 79 final, abrufbar unter: eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=COM:2025:79:FIN).
Die Senkung der Energiekosten soll unter anderem durch die Reform der Verordnung (EU) 2024/1747 zur Verbesserung des Elektrizitätsmarktdesigns sowie durch verstärkte Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz erreicht werden.
Neben dem am 25. Juni 2025 verabschiedeten Rechtsrahmen für staatliche Beihilfen (CISAF – siehe unten), welcher u.a. stützende Maßnahmen für die Senkung der Stromkosten für Verbraucher vorsieht, beabsichtigt die EU-Kommission darüber hinaus bis zum 4. Quartal 2025 Leitlinien für die Mitgliedstaaten zur Förderung der Vergütung von Flexibilität in Endkundenverträgen zu entwickeln. Auch eine Empfehlung zur kosteneffizienten Senkung des Steuerniveaus auf Energie will die Kommission herausgeben.
Zur Beschleunigung der Einführung sauberer Energie hält der Clean Industrial Deal es für unerlässlich, die Genehmigungszeiten für Netz-, Energiespeicher- und erneuerbare Energieprojekte deutlich zu verkürzen. Dabei sollen die Genehmigungsverfahren auf den Erfahrungen aus der Verordnung (EU) 2022/2577 zur Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energie, der Richtlinie (EU) 2023/2413 für erneuerbare Energien, der Verordnung (EU) 2022/869 für die transeuropäische Energieinfrastruktur, dem „Critical Raw Materials Act“ Verordnung (EU)2024/1252 und dem „Net Zero Industry Act“ Verordnung (EU) 2024/1735 aufbauen und weiter vereinfacht werden. Die Digitalisierung soll eine zentrale Rolle beim Ausbau der Netzinfrastruktur spielen, wobei auch die Entwicklung von „Smart Grids“ auf Basis Künstlicher Intelligenz in den Fokus rückt.
Nach dem Clean Industrial Deal und einer von der EU-Kommission im Februar eingesetzten Taskforce für den Erdgasmarkt sollen in der EU die Gasmärkte umfassend geprüft werden. Falls notwendig, werden Maßnahmen ergriffen, um das reibungslose Funktionieren des Marktes zu gewährleisten. Besonders im Fokus steht hierbei die Verbesserung der Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten, um den Systemstress zu verringern und Marktverzerrungen im Zusammenhang mit der Wiederbefüllung von Gasspeichern zu vermeiden.
umgesetzt bzw. vorgesehen?
Der Clean Industrial Deal sieht darüber hinaus signifikante finanzielle Maßnahmen vor. Die EU-Kommission möchte die Finanzierung auf EU-Ebene stärken, private Investitionen mobilisieren.
Am 25. Juni 2025 hat die EU-Kommission den Rechtsrahmen für staatliche Beihilfen (Clean Industrial Deal State Aid Framework - CISAF) verabschiedet, der den Clean Industrial Deal begleitet.
- Dieser enthält Regelungen für folgende Arten von Beihilfemaßnahmen:
- Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus sauberer Energie
- Maßnahmen zur Stützung der Stromkosten für energieintensive Verbraucher
- Maßnahmen zur Erleichterung der Dekarbonisierung der Industrie
- Maßnahmen zur Sicherstellung ausreichender Produktionskapazitäten für saubere Technologien
- Maßnahmen zur Risikominderung privater Investitionen
Der CISAF gilt ab dem 25. Juni 2025 und bleibt bis zum 31. Dezember 2030 in Kraft.
Weiterhin plant die Kommission mitunter die Einrichtung einer „Industrial Decarbonisation Bank“ mit einem Finanzierungsvolumen von über 100 Milliarden Euro. Um die privaten Investitionen zu fördern, plant die Kommission zudem eine Änderung der Invest-EU-Verordnung.
Der Clean Industrial Deal soll einen Anreiz für Geschäftsmodelle für dekarbonisierte Produkte schaffen, indem eine breite Nachfrage nach diesen Produkten gefördert wird. Gleichzeitig bietet er die Grundlage für die grüne Transformation der Industrie und zeigt, dass die Europäische Kommission die negativen Folgen hoher Energiepreise für den Industriestandort Deutschland erkannt hat.
Die Ausrichtung des Deals und klare Positionierung der EU werden grundsätzlich von den betroffenen Branchen und Verbänden begrüßt. Dennoch bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die Eckpfeiler des Clean Industrial Deals die Herausforderungen hoher Energiepreise langfristig lösen können. Dies wird entscheidend von der Umsetzung und den weiteren geplanten Maßnahmen der EU abhängen. Wie der Clean Industrial Deal selbst zutreffend feststellt: „A strategy is only as good as its effective implementation.“
Für Ihre Fragestellungen zum Clean Industrial Deal stehen Ihnen die Juristinnen und Juristen der rhenag legal gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Marion Große-Drieling i.A. Nicole Hoffmann, LL.M.
Dr. Marion Große-Drieling
Rechtsanwältin
marion.grossedrieling@rhenag-legal.de

Nicole Hoffmann, LL.M.
nicole.hoffmann@rhenag-legal.de
