09.05.2023 | Wiltrud Dreier
Im Monat März sollten die Letztverbraucher grundsätzlich auch die Entlastungsbeträge für die Monate Januar und Februar erhalten haben. Mit der sogenannten Entlastungserstreckung soll eine Lücke geschlossen werden, die sich daraus ergibt, dass sich die Preisbremsen zeitlich nicht bereits zum Januar 2023 umsetzen ließen. Daher regeln beide Gesetze, dass der Lieferant, der den Letztverbraucher am 1. März 2023 beliefert, für die Berechnung und Erstattung der Entlastungsbeträge für die Monate Januar und/oder Februar zuständig ist. So weit, so klar. Die Probleme ergeben sich – wie so oft – in der Umsetzung. Im folgenden Rundschreiben wollen wir daher einen Überblick über die derzeit geltende Rechtslage geben und Lösungen für einige auftretende Sonderkonstellationen aufzeigen.
Voraussetzungen der Entlastungserstreckung
Strom - StromPGB
§ 49 Abs. 1 StromPBG regelt, dass die Entlastungsbeträge für die Monate Januar und/oder Februar im Monat März von dem Stromversorger gewährt werden, der den Letztverbraucher an der betreffenden Netzentnahmestelle am 1. März 2023 beliefert. Die Entlastungsbeträge werden aus dem Produkt des Differenzbetrags und des Entlastungskontingents für den Monat März 2023 ermittelt.
Gas – Kundengruppe § 3 Abs. 1 Satz 3 EWPBG
§ 5 EWPBG regelt, dass Letztverbraucher, die nach § 3 Abs. 1 Satz 3 EWPBG entlastet werden (= Verbrauch < 1,5 GWh, sowie die in den Nummern 2 bis 4 genannten Institutionen) und die in den Monaten Januar und/oder Februar mit leitungsgebundenem Erdgas beliefert wurden, von dem Erdgaslieferanten entlastet werden, der sie am 1. März 2023 beliefert. Für die Monate Januar und/oder Februar ist jeweils zusätzlich der für den Monat März ermittelte Entlastungsbetrag gutzuschreiben.
Gas – Kundengruppe § 6 Abs. 1 EWPBG
Für Letztverbraucher, die nach § 6 Abs. 1 entlastet werden (RLM > 1,5 GWh, Krankenhäuser), findet die Preisbremse bereits ab Januar 2023 Anwendung. Eine Entlastungserstreckung gibt es hier nicht.
Folgeprobleme
Stichtag ist demnach der 1. März 2023. Daraus ergeben sich – unter anderem - folgende Probleme:
- Lieferantenwechsel zum 1. März 2023
- Umzug zum 1. März 2023
- Arbeitspreis liegt am 1. März 2023 erstmalig über dem Referenzpreis
- Arbeitspreis liegt am 1. März 2023 erstmalig unter dem Referenzpreis
Lieferantenwechsel zum 1. März 2023
Der Letztverbraucher wechselt zum 1. März 2023 den Lieferanten. Wer entlastet wie? Nach beiden Gesetzen ist der neue Lieferant zuständig. Der „Altlieferant“ erstellt eine Schlussrechnung ohne Entlastung. Liegt der Arbeitspreis im Monat März über dem Referenzwert, kann der Entlastungsbetrag grundsätzlich errechnet werden.
Umzug zum 1. März 2023
Laut Aussage des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK1) ist Voraussetzung für die Entlastungserstreckung auf die Monate Januar und Februar bei einem Umzug zum 1. März 2023 lediglich, dass der Letztverbraucher seinem Versorger nachweist, dass er in diesen Monaten mit leitungsgebundenem Erdgas beliefert wurde. Ob als weitere Bedingung hinzukommt, dass der Arbeitspreis in diesen Monaten über dem Referenzwert liegen musste, wird nicht thematisiert.
Diese Aussage kann unseres Erachtens auf den Strombezug übertragen werden, da es keinen Grund für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Energiearten gibt. Somit kann der (neue) Lieferant, der an der neuen Entnahmestelle Energie liefert, die Entlastungsbeträge für die Monate Januar und Februar auf seiner Datengrundlage (Arbeitspreis Monat März, Entlastungskontingent der neuen Verbrauchsstelle) grundsätzlich gewähren, soweit der Nachweis des Letztverbrauchers vorliegt, dass er in den Vormonaten Strom bzw. Gas bezogen hat (und die weiteren Voraussetzungen für die Entlastung gegeben sind). Energieversorger, die sich für die Entlastung entscheiden, setzen sich aufgrund der Aussagen des BMWK nicht der Gefahr eines Missbrauchsvorwurfs aus.
1 FAQ zu den Anträgen nach dem Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG), Version 4.0 und 5.0
Soll die Entlastung für die Monate Januar und Februar auch gewährt werden, wenn der Arbeitspreis erstmalig zum 1. März 2023 über dem Referenzpreis liegt? Da für die Entlastungserstreckung auf den Arbeitspreis März abzustellen ist, ergibt sich grundsätzlich auch für die Monate Januar und Februar ein positiver Entlastungsbetrag, obwohl der Arbeitspreis für diese Monate tatsächlich unter dem Referenzwert gelegen hat.
Nach unserer Einschätzung setzt der Anspruch auf Entlastung jedoch voraus, dass der vereinbarte Preis für den zu entlastenden Monat grundsätzlich über dem Referenzpreis liegt. Denn die Entlastungserstreckung soll dazu dienen, eine Gesetzeslücke zu schließen (s. o.). Wenn aber in den Monaten Januar und/oder Februar der Arbeitspreis niedriger als der Referenzpreis war, fehlt es an einer solchen Lücke. Der Letztverbraucher benötigt in diesem Fall keine Entlastung. Vergleicht man die Situation mit einer Preissenkung in den Folgemonaten ab April 2023, ist das Ergebnis kein anderes. Fällt der Arbeitspreis zum Beispiel zum Juli unter den Referenzwert, entfällt für diesen Monat ebenfalls die Entlastung. Wie das BMWK zu der Frage der Entlastung für Januar und Februar bei erstmaliger Überschreitung des Referenzpreises zum 01.03.2023 steht, ist bislang jedoch unklar.
Und was gilt in den Fällen, in denen der Arbeitspreis in den Monaten Januar und Februar den Referenzwert übersteigt, im März aber niedriger ist? Der Entlastungsbetrag für die Entlastungserstreckung errechnet sich mit dem Arbeitspreis des Monats März. Liegt dieser unter dem Referenzpreis, ist der Entlastungsbetrag 0. Für die Monate Januar und Februar kann daher kein Entlastungsbetrag gezahlt werden. Der Gesetzeswortlaut lässt derzeit keine andere Auslegung zu.
Leider ist auch in der Frage der Entlastungserstreckung der Gesetzeswortlaut der Preisbremsengesetze nicht eindeutig bzw. führt die Auslegung hart am Wortlaut zu unerwünschten Ergebnissen. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber im Rahmen der geplanten Anpassungsnovelle hier entsprechend nachbessert. In dem derzeit veröffentlichen Kabinettsbeschluss sind keine Änderungen der § 49 StromPBG/§ 5 EWPBG geplant.
Wiltrud Dreier
Rechtsanwältin
wiltrud.dreier@rhenag-legal.de