14.07.2023 | Nicole Hoffmann
Am 23. Juni 2023 hat der Bundestag in der 2. und 3. Lesung den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzesentwurf für das „Gesetz zur Änderung des Erdgas- Wärme-Preisbremsengesetzes, zur Änderung des Strompreisbremsengesetzes sowie zur Änderung weiterer energiewirtschaftlicher und sozialrechtlicher Gesetzes“ mit den Änderungsvorschlägen des Ausschusses für Klimaschutz und Energie gebilligt. Das Gesetz wird nun am kommenden Freitag, 7. Juli 2023, dem Bundesrat (TOP 10 der Tagesordnung) vorgelegt, ist jedoch nicht zustimmungspflichtig. Das Gesetz tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft, womit Mitte Juli gerechnet werden kann.
In diesem Artikel möchten wir einen kurzen Überblick über die Änderungen zu den Energiepreisbremsen geben.
Mit den Gesetzen zu den Energiepreisbremsen kamen zum Jahreswechsel und in der ersten Jahreshälfte viele Aufgaben auf die Energieversorger zu. Bei der Umsetzung der neuen gesetzlichen Anforderungen ergaben sich jedoch viele Ungereimtheiten, welche nun mit dem Änderungsgesetz durch den Gesetzgeber bereinigt werden sollen.
Folgenden Änderungen sind von Energieversorgern u.a. zu beachten und umzusetzen:
Zulässigkeit von Wechselprämien bei Unterschreiten der Referenzpreise
Mit der Ergänzung in § 4 Absatz 2 Satz 1 EWPBG neu bzw. § 12 Absatz 2 Satz 1 StromPBG neu stellt der Gesetzgeber nunmehr klar, dass die von ihm vorgeschriebenen Bonihöchstgrenzen allein für Verträge gelten, die den Referenzpreis erreichen. Damit können Verträge, die unterhalb der Referenzpreise liegen, auch höhere Boni beinhalten.
Mit der Gesetzesänderung betont der Gesetzgeber, dass der Wettbewerb grundsätzlich nicht verhindert werden soll, sondern lediglich überhöhte Boni bei Verträgen, die die Referenzpreise erreichen, nicht vom Gesetzgeber finanziert werden sollen.
Neue Informations-/Hinweispflicht auf evtl. lohnenden Lieferantenwechsel
Neben den allgemeinen Informationen zu den Energiepreisbremsen sind Gas- und Wärmeversorger nun zusätzlich verpflichtet, auf ihrer Webseite, bei einem neuen Vertragsschluss und bei Preiserhöhungen darauf hinzuweisen, dass sich ungeachtet der Entlastung aus den Preisbremsen ein Preisvergleich für den Kunden lohnen kann (§ 4 Absatz 4 Satz 2 EWPBG neu – Gas, § 12 Absatz 4 Satz 2 EWPBG neu – Wärme).
Für Strom müssen EVU neben den auf der Webseite bereits vorgesehenen allgemeinen Informationen zur Bremse Kunden ebenfalls bei Neuabschlüssen von Verträgen und Strompreiserhöhungen die allgemeinen Informationen zur Strompreisbremse in Textform zukommen lassen und ebenfalls einen Hinweis aufnehmen, dass sich ein Preisvergleich für den Kunden lohnen kann (§ 31 Absatz 2 Satz 2 und 3 StromPBG neu).
Die Hinweispflicht gilt ab Inkrafttreten des Änderungsgesetzes und bis zum Ablauf der Preisbremsen. Da mit einem kurzfristigen Inkrafttreten zu rechnen ist, empfehlen wir die vorgenannten Informationspflichten auf der eigenen Webseite und in den Vertragsbestätigungsschreiben schnellstmöglich umzusetzen.
Sofern für die kommenden Monate eine Preiserhöhung geplant ist, sind bei der Gestaltung der Kundenmitteilungen die Informationspflichten ebenfalls einzuhalten.
Entlastungsberechtigte SLP-Kunden mit einem Gasverbrauch > 1,5 GWh/a
Bisher gab es keine Entlastungsberechtigung von Kunden mit Standard-Lastprofil und einem Jahresverbrauch von mehr als 1,5 GWh. Durch die Gesetzesänderung sind nun auch diese Kunden entlastungsberechtigt (§ 6 Absatz1 Satz 4 EWPBG neu).
Klarstellung Behandlung von SPOT-Verträgen Gas
Des Weiteren wird gemäß § 9 Absatz 2 EWPBG neu bei Spotmarktverträgen im Erdgasbereich zukünftig der gewichtete Durchschnittsarbeitspreis für den gesamten Kalendermonat zu Grunde gelegt. Ist dieser nicht verfügbar, wird der durchschnittliche Arbeitspreis des Vormonats herangezogen. Bei einer Abrechnung nach Ablauf eines Monats wird der durchschnittliche Arbeitspreis des Liefermonats zugrunde gelegt. Durch diese Angleichung an die bestehenden Regelungen für die Strompreisbremse sollen Unsicherheiten, wie der Differenzbetrag bei Verträgen mit zeitvariablen Arbeitspreisen ermittelt wird, ausgeräumt werden.
Bei Strom wurde ebenfalls noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass bei einer Abrechnung zum Ablauf eines Kalendermonats wie beim Gas der durchschnittliche Arbeitspreis des abzurechnenden Kalendermonats heranzuziehen ist (§ 5 Absatz 1 Satz 6 StromPBG neu).
Gewährung eines Entlastungsbetrages für Wärmekunden ohne Selbsterklärung
Darüber hinaus erhalten Wärmekunden, die zur Abgabe einer Selbsterklärung nach § 22 EWPBG verpflichtet sind, dies aber nicht erfüllt haben, nach bisheriger Rechtslage gemäß § 15 Absatz 3 EWPBG keine Entlastung, was eine Diskrepanz zwischen Gas- und Strompreisentlastungen einerseits und Wärmepreisentlastungen andererseits darstellt. Die nun vorgesehene Streichung des § 15 Absatz 3 EWPBG dient damit nicht nur der Entlastung der Wärmekunden, sondern auch der Herstellung der Kohärenz der Preisbremsengesetze.
Meldepflichten für Lieferanten bei Überschreiten der Höchstgrenze
Sofern Energieversorger Kenntnis davon haben, dass die absolute oder relative Höchstgrenze bei der Entlastung eines Letztverbrauchers überschritten ist, ist das EVU verpflichtet, diese Umstände der Prüfbehörde unverzüglich nach Kenntnis in Textform zu melden (§ 19 Absatz 8 EWPBGB neu, § 11 Absatz 8 StromPBG neu).
Nach dem bisherigen Gesetzeswortlaut gab es Unklarheiten, ob der Energieversorger eine solche Überschreitung der Prüfbehörde zu melden hat oder nicht. Dies ist nunmehr durch die Neuregelung festgelegt.
Rückforderungsrecht bei Überschreiten der Höchstgrenzen
Weiterhin war bisher fraglich, wie mit Rückforderungsansprüchen bei Überschreiten der Höchstgrenzen umzugehen ist. Nunmehr regeln die Vorgaben, für Gas § 20 Absatz 1a EWPBG neu und Strom § 12 Absatz 2a StromPBG neu, den expliziten Rückforderungsanspruch des Versorgers gegen den Letztverbraucher / Kunden, wenn der gewährte Entlastungsbetrag die im Bescheid nach § 19 EWPBG bzw. §§ 11, 11a StromPBG festgestellte absolut oder relative Höchstgrenze überschreitet. Der Lieferant muss diesen Anspruch bis zum Ablauf des 30. Juni 2024 geltend machen, es sei denn der Anspruch ist auf die Prüfbehörde übergegangen.
Atypische Minderverbräuche
Bisher sahen die Regelungen der Energiepreisbremsen keine Entlastung für Letztverbraucher mit 1,5 GWh Jahresverbrauch vor, sofern diese coronabedingt im Referenzjahr 2021 einen atypischen Minderverbrauch hatten. Mit den Neuregelungen werden nun auch diese Härtefälle ausgeglichen. Notwendig hierfür ist ein Antrag des Letztverbrauchers bei der Prüfbehörde auf zusätzliche Entlastung (§ 37a EWPBGB neu, § 12b StromPBG neu).
Für die zusätzliche Entlastung muss der Letztverbraucher für den Zeitraum des Kalenderjahres 2021 nachweisen, dass er
- Corona-Überbrückungshilfen in 2021 oder Versicherungsleistungen, die einem Erhalt von Mitteln aus dem Fonds „Aufbauhilfe 2021“ entgegenstehen, erhalten hat,
- sein Jahresverbrauch in 2021 mindestens 40 % niedriger war als der Verbrauch in 2019,
- die Höchstgrenzen nicht überschreitet,
- die zusätzliche Entlastung nicht 1.000 Euro (Strom) bzw. 10.000 Euro (Gas/Wärme) überschreitet und
- die Regelung zu der vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Rahmen der Gewährung des zusätzlichen Entlastungsbetrages eingehalten werden.
Der Antrag kann im Zeitraum vom 1. bis 30. September 2023 gestellt werden.
Neuer Referenzwert für zeitvariable Tarife
Zudem erhalten mit der Regelung in § 5 Absatz 3 StromPBG neu nun Kunden mit einer HT-/NT-Messung einen Referenzpreis von 28 ct/kWh für die zeitliche Gültigkeit des Schwachlast-/Niedertarifs innerhalb einer Woche. Für den Hochtarif wird der Referenzpreis von 40 ct/kWh berücksichtigt. Diese zusätzliche Entlastung findet abweichend von der Entlastung § 4 Absatz 1 StromPBG auf den Zeitraum August bis Dezember 2023 Anwendung und kann als Einmalbetrag gewährt werden. Erhält der Kunde diese zusätzliche Entlastung, muss das EVU den Kunden gemäß § 12 Absatz 2 Satz 2 StromPBG über diese informieren.
Entlastungskontingent für Wärmepumpen / E-Fahrzeuge
Ferner gab es nach bisheriger Rechtslage keine Regelungen zur Entlastung für Wärmepumpen und Wallboxen. Werden nun im Entlastungszeitraum neue Anlagen angeschlossen, so ist der Betreiber gegenüber dem zuständigen Netzbetreiber mitteilungspflichtig. Dem Energieversorger obliegt dann die Verpflichtung zur unterjährigen Anpassung der Jahresverbrauchsprognose mit Wirkung für den verbleibenden Entlastungszeitraum (§ 6 Satz 3 StromPBG).
Das Änderungsgesetz schafft an vielen Stellen Klarheit und weitere Entlastungsmöglichkeiten. Hierbei begrüßen wir, dass der neue Referenzwert für zeitvariable Tarife nicht rückwirkend umzusetzen ist und die Anträge für die Entlastungen bei atypischen Minderverbräuchen bei der Prüfbehörde zustellen sind.
Dennoch bleiben einige Fragen offen, insbesondere mit Blick auf die noch zu schaffende Prüfbehörde. Die diesbezüglichen Punkte werden voraussichtlich nach Abschluss des vom Bundeswirtschaftsministerium derzeit durchgeführten Vergabeverfahren im Spätsommer bzw. zum Herbstanfang geklärt sein.
Auch wurde bisher nicht beantwortet, ob der Gesetzgeber von seinem Recht zur Verlängerung der Energiepreisbremsen Gebrauch macht oder nicht. Dies wird sich voraussichtlich nach der Sommerpause der Regierung klären.
Nicole Hoffmann
Wirtschaftsjuristin
nicole.hoffmann@rhenag-legal.de